Ein Polit-Magazin
Das neue Polit-Magazin Konsens, das sich seit guten zwei Jahren auf dem Markt befindet, setzt sich in einer grafischen Form mit gesellschaftskritischen und sozialpolitischen Themen auseinander. Nahaufnahmen hat sich mit den beiden Initianten unterhalten können, die uns in ihrer unprätentiösen aber gleichzeitig bestimmten Art Auskunft gegeben haben über die Hintergründe, die ihr Projekt bewegen.
Christoph Schmassmann
Max Frischknecht und Philipp Möckli wissen, wovon sie sprechen, wenn sie sich in einer grafischen Form einem Gegenstand nähern – denn sie beide sind Grafiker und waren damals in den letzten Semestern an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Visueller Kommunikation mit den Schwerpunkt Interaktions-Design, Neue Medien und Typographie engagiert.
Was ist nun das Besondere an ihrem Magazin welches im Moment unter dem Titel Konsens aufliegt?
Philipp: In unserer ersten Ausgabe hatten wir zwei Teile – ein Text-Teil und einen Bild-Teil und wir befassten uns mit dem Bild von Russland, das wir hier im Westen pflegen. Im ersten Teil haben wir dieses Bild sehr stark hinterfragt, indem wir Autoren zu Wort kommen liessen, welche sonst in den Hauptmedien weniger Gehör finden. Und mit den Bildern versuchten wir eine Untersuchung zu führen, welche sich mit dem Bild von Russland im Hollywood- oder Mainstream-Film auseinandersetzt. Gerade dort kommen dann natürlich sehr viele Klischees vor – beispielsweise eine Fellmütze, das Schachspiel oder der Wodka, was wir hier eben sehr stark mit Russland assoziieren.
Max: Es ist meine persönliche Ansicht – dass Klischees meist sehr subjektiv geprägt sind, was so viel heissen soll, dass wenn man ein Bild von einem wodkatrinkenden Russen sieht, das noch nicht das Klischee darstellt, sondern erst meine subjektive Bewertung lässt mich dieses als ein solches erkennen. Und das ist dann letztlich die Grundidee, das man sich oder unsere Leser anhand der Bildstrecken, die wir ihnen zeigen, dabei ertappen, wo sie selber Klischees haben. Und natürlich entsteht dadurch eine starke Diskrepanz zur Textebene, wo wir eigentlich ein ganz anderes Bild von Russland zu vermitteln versuchten.
Und welchen Effekt erhoffen sie sich davon?
Max: Das führt hoffentlich dazu, dass der Leser sich in seiner Eigenverantwortung appelliert fühlt, so dass er letztendlich selber zu einem Schluss kommen muss, wie er jetzt konkret verbleiben will. Ob er mehr zu der Bild- oder mehr zur Textebene tendiert oder auch eine Form von Mischung sich ergibt. Das ist dann letztlich auch ganz individuell und das soll es auch sein. Wir wollen da keine Meinungen vorgeben – der Leser soll selber nachdenken und in eine Auseinandersetzung gehen.
Philip: Das soll das Kontrastierende letztlich auslösen, dass der Leser beginnt sich Gedanken zu machen. Aber wir geben keine Meinung vor.
Und warum heisst ihr Magazin dann Konsens und nicht beispielsweise Dissens?
Max: Ein Konsens ist ja wie eine gemeinsame Meinung von mehreren Leuten oder einer Gemeinschaft. Diesen beschliesst man – man einigt sich gewissermassen auf diesen gemeinsamen Nenner im Diskurs miteinander. Sollte man zumindest aus unserer Sicht. Und das heisst, man muss in eine Auseinandersetzung gehen, respektive wenn man das nun eben gerade nicht macht, dann führt das dazu, dass man den Hauptmedien und dem Mainstream sich ausliefert. Also uns geht es um die Auseinandersetzung mit diesem Konsens und dass sich die Leute auch aktiv daran beteiligen und mitarbeiten. Quasi erst einmal die Möglichkeit begreifen, dass sie auch Teil vom Konsens sind – ob nun gewollt oder auch nicht: denn was die Mehrheit glaubt stellt sich immer noch als die objektive Realität dar. Das man so gesehen nicht unhinterfragt einfach übernimmt und die Chance der aktiven Beteiligung am Konsens auch wahrnimmt.
Philipp: Und das ist ja gerade das Schöne am Konsens, wie wir ihn verstehen. Alle können an ihm teilhaben und er ist auch nichts Starres oder in sich Stabiles, sondern verändert sich auch mit den Leuten die sich an ihm beteiligen. Und da glauben wir halt eben auch daran, dass wenn schon ein kleiner Teil anders denkt als die Masse, das sich quasi systemisch fortsetzt und seinen Einfluss zeitigt. Und so kann sich die Masse auch bewegen. Man kann sich vielleicht unseren Begriff von Konsens folgendermassen vorstellen: Dass es niemals die Frage sein wird ob ein absoluter Konsens nun Sinn macht oder auch nicht, also dass wir uns alle einig sein müssen. Es gibt in diesem Sinne kein Endziel, sondern wir befinden uns da in einer Dynamik, die Widerstände und Reibungsflächen zulässt, ohne die die Diskussion sich nicht fortsetzen würde. Wir befinden uns im Austausch und vielleicht entsteht ja tatsächlich im Versuch sich einig zu werden, so etwas wie ein grösserer gemeinsamer Bogen. Und an diesem wollen wir den Leser teilhaben lassen.
Max: Und in diesem Prozess spielt aus unserer Sicht gerade in unserer extrem visuell geprägten Gesellschaft die Grafik ein nicht zu unterschätzende Rolle.
Philipp: Wenn wir es nur schon schaffen, den Leser ein wenig für diese Fragestellungen zu sensibilisieren, ist wahrscheinlich schon viel erreicht. Dabei geht es letztlich zwar um Meinungsfreiheit, aber dass man die Berichterstattung der Mainstream- oder Hauptmedien nicht einfach unhinterfragt annimmt, sondern sich seine eigenen Gedanken dazu machen kann.
Und wie gestaltet sich da das Zusammenspiel von Text- und Bildebene?
Philipp: Also die Bildebene unterläuft natürlich ein Stück weit den textredaktionellen Teil und umgekehrt. In einer gewissen Weise ergänzen sie sich bestimmt, auf einer anderen Ebene konkurenzieren und kontrastieren sie sich aber auch. Und daraus soll dann wie eine neue Ebene im Zusammenspiel entstehen. Und so entsteht unserer Meinung nach auch etwas Unkontrollierbares und genau das suchen wir auch, weil wir dem Leser ebenfalls Raum geben wollen.
Max: Wenn du ein Bild hast und dann stellst du da einen Text dazu, dann verändert das ja die Aussage vom Bild. Das kann seinen Ausdruck um 180 Grad drehen, und so verschlüsseln sich ja Bild und Text auch gegenseitig. Vielleicht wollen wir da auf den Kontext aufmerksam machen, der die Aussage begleitet und sie so mitbeeinflusst. Egal ob Bild oder Text ist der Kontext extrem einflussreich darauf, wie eine Information ausgelegt wird. Und da wird es dann auch spannend. Weil der Kontext ist oft auch wie gegeben und man kann vielleicht meistens auch nicht sehr viel daran ändern, aber wenn man sich bewusst wird, welchen Einfluss dieser hat auf die Informationen und die Inhalte, dann liest man den Kontext vielleicht auch ganz anders. Vielleicht erreicht man dann eine grössere Differenziertheit oder nimmt ein wenig mehr Distanz zum Geschehen.
Das verlangt nach Beispielen!
Philipp: Beispielsweise setzte sich unsere ersten Ausgabe die Bildebene mit Russen im Film auseinander, weil das unserer grösserer Kontext ist, in dem wir uns bewegen. Film als Teil unserer Popkultur meine ich damit, welche sich natürlich auch mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzt.
Max: Natürlich verändert es aber die Botschaft, wenn ich gewisse Filmstils extrahiere und in eine Reihe mit anderen (vielleicht ähnlichen) Bildern stelle. Man muss gar nicht soweit gehen, dass man da die Russen diffamieren will, aber es drängt sich doch auf, dass das ja ein Stück weit nicht so sein kann, wie es uns (immer und immer wieder) gezeigt wird. Weil sie vielleicht sich einfach zu sehr entsprechen, dass es nicht mit der Realität übereinstimmen kann. Und vielleicht beginnt man sich dann ja auch zu fragen, was es dann noch für andere Bilder von Russland gibt, und kommt so auf eine vielfältigere Perspektive.
Und wie sehen sie ihre Rolle bei der Meinungsbildung, auf die ihr Magazin doch sehr stark abzuheben scheint?
Philipp: Wir haben auf keinen Fall vor zu sagen, so und so ist es – das ist die Realität. Denn es gibt ja mit Sicherheit nicht nur eine Realität. Deshalb überlassen wir da sehr viel unseren Lesern selbst – nehmen in quasi bei seiner Eigenverantwortung in die Pflicht.
Und als Ausblick? Wie gestaltet sich die Auswahl der Themen der weiteren Ausgaben?
Philipp: Nun, ich würde mal sagen das entsteht ganz natürlich in der Auseinandersetzung mit der Welt. Welches sind die Themen die uns als Gesellschaft gerade sehr beschäftigen und darüber hinaus, was interessiert uns beide dann genau daran? Dem versuchen wir dann eine grafische Form zu geben und es mit Texten zu kontrastieren. Auch in der Diskussion mit unserem Umfeld, indem wir darauf achten, welche Themen sich uns aufdrängen. Man kann vielleicht ein Stück weit sagen, dass wir Themen ganz bewusst danach auswählen, wenn wir finden, dass eine Perspektive vielleicht gerade ein wenig zu kurz kommt. Und dann suchen wir uns die Leute, die Experten sind auf diesem Gebiet für den Text-Teil, und erarbeiten dann unser visuelles Konzept für die kommenden Ausgaben.
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