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Kreative Ich-Positionen

Die Ästhetisierung des Subjekts



Aus gegebenem Anlass, die Ästhetisierung des Subjekts in unserer postmodernen Gesellschaft nachzuvollziehen, wird hier das Verhältnis von Kunst und realem Leben, Wissenschaft und Kunst, sowie von realem Leben und Wissenschaft unter dem Vorzeichen der Performativität betrachtet, um den Akzent auf die kreative Entfaltung von Subjektpositionen zu legen. Durch die Eröffnung dieser Trias (in welcher mitunter und nicht ohne Zufall Jacques Lacans Konzeption des Realen, Symbolischen und Imaginären anklingt) werden diese drei Diskurse in ihrer gegenseitigen Bestimmung und Durchdringung schliesslich lesbar, als performativ sich entfaltende Bereiche, welche sich in ihrer je eigenen Weise gegenseitig bestimmen und hervorbringen.

 

Von Christoph Andreas Schmassmann

So begründen diese eine Auffassung von Subjektivität, welche in einer Ästhetisierung von Subjektivierungsprozessen ihren Ausdruck findet. Kreativität und fluides Entfalten von Ich-Positionen und können dabei als Mittel der Subversion von gängigen Normen und Verhaltensmustern aufgefasst und entfaltet werden.

 

Wissen, Kunst und Leben

Kunst vs. Leben. Durch die Verschiebung von der Repräsentation zur Präsenz (von einem blossen Als-Ob hin zu einem konkreten So-Sein) in den medialen Felder der Kunst reicht dieses in seiner performativen Kraft der konkreten Form in das reale Leben hinein. Durch die Strategien der Simultanität und Addition der diskursiven Felder zitiert es die konkreten Wahrnehmungsweisen in einer multimedialen Gesellschaft und verweist auf die Zäsur, die diese in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens darstellt. Gleichzeitig weist es (seine subversive Kraft der performativen Akte ausspielend) die Kontingenz der dargestellten Phänomene aus. Unter gewissen Umständen kann somit Kunst durchaus gesellschaftliche wie politische Relevanz gewinnen, wodurch die ästhetische Erfahrung zu einer ethischen werden kann (aber nicht muss).

Wissenschaft vs. Kunst. Der performativ turn in den Kulturwissenschaften vollzieht die Wendung von einem rein rationalen Umgang zu einer kreativen Generierung von Wissen aus den in einer performativen Form sich ausbreitenden diskursiven Feldern. Dabei spielen nicht mehr länger nur geistige Gesichtspunkte eine Rolle, sondern auch das unmittelbar körperliche Affiziert-Sein.[3] Damit kommt das unmittelbare Erfahren (als ein Modus der ästhetischen Auseinandersetzung) im Prozess der Wissensbildung in den Fokus: die Forschung, welche die Performance als Trägermedium und Vermittler des Wissens erachtet, hat sowohl ihren Grund als auch ihre methodische Praxis im Körper in seiner gelebten Erfahrung[4]. Somit gewinnt die Wissenschaft ästhetisch-sinnliche Aspekte.

Leben vs. Wissenschaft. Insofern Wissenschaft mit Wissen operiert und dessen Genese beeinflusst, ist sie mit Michel Foucault zu sprechen aufs engste mit der Ausübung von Macht verknüpft. Die politische Spannung, welche die Forschung erzeugt,[5] kommt dabei der Wissenschaft vermehrt zu Bewusstsein: die Autorität der aus sich selbst heraus ermächtigenden Verbindung zwischen rhetorischer Strategie und politischer Ideologie. Bisher durch die Maske der Wissenschaft geschützt, ist ihre suggestive Kraft der Forschung sehr wohl bewusst geworden.[6] Die Macht des (wissenschaftlichen) Diskurses reicht hierbei auf allen Ebenen in das alltägliche Leben hinein und determiniert dieses. (Somit ist schliesslich auch die Kraft von performativen Akten, die die Macht gleichzeitig verkörpern und verschleiern, sowie deren subversive Komponente, aufs engste mit der Ausübung, aber auch der Unterwanderung von Macht verknüpft.)

 

Ästhetisierung des Subjekts

Gleichzeitig zu den hier nachvollzogenen Prozessen kommt es nach und nach zu einer ästhetischen Umformung des Verständnisses von Gesellschaft, allem voran zu einer Ästhetisierung des Subjekts.

«In der sozialen Welt […] ist Kreativität seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zum Knotenpunkt eines expansiven Feldes von Diskursen avanciert, das entsprechende Arrangements sozialer Praktiken, Subjektivierungsweisen und Materialitäten beeinflusst. In ihnen allen hat die Fähigkeit, ‘kreativ’ zu sein, die Fähigkeit, das eigene Potenzial von Kreativität zu entfalten, sich als grundlegendes Set von Komeptenzen eines zeitgenössischen Subjekts etabliert.»[20]

Kreativität wird in diesem Prozess zu einem Arsenal an Subjektivierungstechniken und es vollzog sich eine Inversion der hegemonialen Semantik in der Formung von Subjektpositionen zu einem geradezu anti-hegemonialen Blick auf deren Mechanismen der einheitlichen und normierenden kulturellen Praktiken. Unterschiedliche Bewegungen des ästhetischen Vollzugs führten dabei zu einer Programmierung auf das Kreative, welches sich jenseits von der Machtposition einer politischen Subjektwerdung langsam aber stetig in dessen produktiven und zugleich, kritisch-selbstreflexiven Praktiken bei der Konstruktion von Subjektivität mischte und diese schliesslich abzulösen begannen. Und obwohl die Vorstellungen des Ästhetischen und damit verbunden der Konzeption von Kreativität bei der Avant-Garde (angefangen beim romantischen Subjektivitätsideal gefolgt von Konzeptionen des ästhetisch sich vollziehenden Ichs im Ästhetizismus und Expressionismus, über den Futurismus hin zum Surrealismus und Dadaismus)[21] nicht identisch waren und mitunter stark divergierten, sind sie dennoch in der Form eines gemeinsamen Nenners immer auch als transgressiv zu verstehen.

«Die Identifikation des Selbst mit etwas inhärent Transgressivem bedeutet, dass es eine Tendenz besitzt, seine eigenen Grenzen zu sprengen, Strukturen und Systeme aufzubrechen und niemals das Gleiche zu bleiben.»[22]

Mit sich selbst identisch zu sein, bedeutet sinngemäss die Fähigkeit zu verlieren sich zu verändern und den Prozess des permanenten Werdens zu unterbinden, welche für eine Entwicklung in der Zeit mitunter konstitutiv bleibt. Diesem Vollzug des steten progressiven Entfaltens und im Werden begriffenen Subjektbegriffs gilt in der Folge die nähere Aufmerksamkeit der Forschung und ihres Fokus. In diesem Vollzug gilt es die Bruchlinien innerhalb der Diskurse und kulturellen Praktiken des Kreativen als produktive und mitunter notwendige Grenzziehungen zwischen den unterschiedlichen Auffassungen, was das kreative Subjekt ist und wie es sich in der Zeit entwickelt und sein permanentes Werden in ihr vollzieht, zu folgen. Diese formen mitunter das wissenschaftliche, aber auch soziale und kulturelle Miteinander. Über diese unterschiedlichen Arten von Impulsen zwischen den unterschiedlichen Praktiken laufen sich freisetzende kreative Akte hin und her, die so den Begriff des Subjekts weiter mit Sinn über das konkret ästhetische Erfahren nähren und in der Folge dieses als kontingent ausweisen.[23] 

 

Anmerkungen und Verweise

[3]         «the body as a site of knowing» bei Conquergood, Dwight. Rethinking Ethnography. Towards a critical cultural politics. In: Communication Monographs (Bd. 58). 1991. (S. 179-194) hier (S. 180)

[4]         «[…] performance-centered research takes as both his subject matter and method the experiencing body […]» Ebd. (S. 187)

[5]         «[T]he political tension of research […]»Ebd. (S. 179)

[6]         «[…] authority is the empowering alignment between rhetorical strategy [verstanden als die gezielte Ausübung performativer Sprechakte] and political ideology. Once shielded by the mask of science, (they) now have become actuely aware of the sources of their persuasive power.» Ebd. (S. 193)

[20]       Vgl. das Kapitel «Die Erfindung des Kreativsubjekts» bei Reckwitz, Andreas. Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie. transcript Verlag. Bielefeld, 2008. (S. 235-258) hier (S. 235).

[21]       Hierzu ebd. (S. 246)

[22]       Ebd.

[23]       Vgl. zu diesem Prozess, in dem sich diese Ästhetisierung des Subjekts vollzieht, ebenfalls das Kapitel «Ästhetisierung und Kreativitätsdispositiv» in: Ders. Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012. (S. 20-53).




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