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Fetischdienste – Marx & Freud im Diskurs

Reflexionen zum Geld-System – Teil II



Waren und ihr konkreter Gegenwert – das Geld – und die mit Ihnen verbundenen Handlungen sind nach Karl Marx stets mit fetischistisch geprägten Vollzügen verflochten und verknüpft, in denen sich unbewusst etwas letztlich Irrationales artikuliert, worin sich wiederum Freud folgen lässt. Es gilt nun – den beiden Diskursen über mehrere ineinander verschachtelte Ebenen folgend – die eigentlichen Mechanismen unseres Geldsystems aufzuzeigen.

 

Christoph Schmassmann


Wenn man in den Diskurs eintritt, den Freuds Psychoanalyse eröffnet hat, so findet man sich auf dem Gebiet des Unbewussten vor.  In der Folge gilt es sich eines immer wieder vor Augen zu halten: Dinge werden zu Symbolen, zu Trägern von unbewussten Energien mit denen sie besetzt sind. Und ganz entscheidend ist hierbei die affektive, durch Verdrängung, Verdichtung und Verschiebung unkenntliche und darum umso wirksamere Aufladung der Dinge als Symbole, die dadurch zu Fetischen werden.

 

Freud und die unveräusserlichen Dinge

Was sich noch auf der Ebene archaischer Gesellschaften als Magie ausgibt, kann man, und hier ist schliesslich Freuds Leistung zu fixieren, auch das Imaginäre nennen, dessen Illusion wir aber nach wie vor, einfach in einer pervertierten Form unterliegen. Sachen und Personen vertauschen ihren Platz im Zuge einer Ersetzung der wirklichen Kräfte, Werte und Bedeutungen durch imaginäre oder virtuelle. Und so agiert auch in den zirkulierenden Dingen etwas Unfassbares, und das ist das, welches gleichsam die Quelle des hier verfolgten Ansatzes darstellt: etwas Stillgelegtes und Unveräusserliches. Paradoxerweise ist erst damit die alles entscheidende Ebene erreicht, die für die ewig sich fortsetzende Bewegung der Tausch-Zirkulation sorgt. Hier kommt nun Freud ins Spiel. Diese von der Austauschbarkeit ausgeschlossenen Dinge stellen gleichsam die entzogene Mitte des Ichs dar, auf die hin alles relativiert ist.

 

Rätsel und Lösungen

In der Entgegensetzung von Zirkulation und sich stets in sich selbst auflösenden Prozessen auf der einen Seite und Unveräusserlichem als dem eigentlich Wertvollen auf der anderen Seite liegt eines der Rätsel nicht nur der modernen Ökonomie. Auch dies hängt mit dem Fetischismus zusammen, indessen mit einem anderen Typ als dem Geheimnis des Warenfetischismus, wie Marx ihn untersucht hat. Es ist derjenige Mechanismus, der die Dinge aus der Zirkulation abstrahiert oder ihren Eintritt in diese unterbindet. Er schafft insofern ein „Draussen“ gegenüber dem „Drinnen“ der Zirkulation. Es ist ein Fetischismus, der bestimmte Dinge zu Unikaten stilisiert, die zurückgehalten werden müssen – sie sind und bleiben unaustauschbar, damit man überhaupt eine Person an sich darstellen kann. Ansonsten würde sich die gesamte Innenwelt des Menschen letztlich in den bloss abstrakten Zeichenoperationen des Geldsystems und der Zirkulation als Ware auflösen und verschwinden. Und wo es kein Anderes der Zirkulation mehr gibt, kollabiert diese selbst und bricht in sich zusammen. Das wäre dann wohl nebenbei auch der einzige Weg diesem letztlich beizukommen, indem man alles setzt – und das System letztlich in sich selbst zum Implodieren gebracht wird.


 

 

Ich-Dinge

Doch gerade dieses Draussen der Zirkulation, die Objekte, die zurückgehalten werden, stellen letztlich die intimen Dinge dar, die Ich-Dinge, über die man seine Identität kreiert. Man bedarf dieser intimen Dinge, die niemals in den Kreislauf treten, um sein Selbst zu wahren. Als Ich-Dinge vollzieht sich in ihnen die Bewegung, die für den Fetisch als kennzeichnend fixiert werden muss: sie saugen Kräfte in sich auf, werden mit ihnen besetzt – eifersüchtig bewacht vom nur dadurch noch seiner selbst mächtigen Ich, auf das deren Macht zurückstrahlt. Sie beginnen dadurch letztlich in diesem Vollzug das Selbst zu verkörpern, wie umgekehrt sich das Ich in ihnen verdinglicht. Sie schützen durch diesen Vollzug davor, in den Strom der Zirkulation zu geraten, also nichts als Brauchbarkeit und Äusserlichkeit zu sein.

 

 

Scheinwelten – Leben im Als-Ob

So wird schliesslich auch der durch einen Geldwert fetischisierte Gegenstand mit Freud zu einem Akteur auf der Bühne des Unbewussten. Dies kann nun auf der Ebene des kollektiven Unterbewusstseins auf die ökonomische Gesellschaft adaptiert werden. Auf diesem Weg wird der Fetischist oder das sich fetischistisch verhaltende Kollektiv zum Urheber eines nur scheinbar wirklichen, aber letztlich von den imaginären Werten und Wertvorstellungen des Geldsystem bestimmten Lebens, die in ihrer Struktur jedoch unbewusst bleiben. Und an diesem Punkt lassen sich nun die beiden Diskurse des Marxismus und der Freudschen Psychoanalyse ineinander verschränkt denken: man erliegt den unbewusst imaginären Kräften, wie sie Freud entwirft, eines an sich beliebig veränderbaren und dadurch manipulierbaren Wertesystems, welches durch Marx vorskizziert wurde – eine Macht als deren gehorsame Darsteller wir uns erleben, die aber letztlich von uns selbst hervorgebracht wurde. Stets handeln wir in diesem Sinne paradox: wir haben das Imaginäre (letztlich abstrakte Geldwerte) in unserem Besitz, während sich das Reale und die wirklichen Bedeutungen, Werte und Kräfte des Lebens sich uns mehr und mehr entziehen. Diese letztlich unbewussten Mechanismen sind und bleiben so gesehen in sich selbst verborgen – wie das Unbewusste im Sinne Freuds generell einer Maskierung vergleichbar ist, die in ihrem eigentlichen Wesen nicht erkannt werden will: expressiv sich ausdrückend und artikulierend und gleichzeitig sich selbst verbergend in ein und demselben Vollzug. Und so nehmen wir für wahr, was letztlich den irrealen und unbewussten Mächten des Falschen und des Fälschens unterliegt, und so nichtsdestotrotz unsere Realität von innen heraus zu bestimmen beginnt.

 

Sinnstiftungen – für die Einzigartigkeit

Dies geht letztlich einher mit einer sich verselbstständigenden Zirkulation und mit dadurch sich etablierenden und festigenden Illusionen und Wert-Vorstellungen – denjenigen, die durch das Geld geschaffen werden. Dieses abstrahiert  jedoch stets von der Wirklichkeit, macht austauschbar und verwertbar – auch den Menschen selbst als seinen Schöpfer. Das eigentlich Wertvolle des Lebens geht in diesem Prozess nach und nach verloren: denn das Geldsystem schafft letztlich in diesem Sinne lediglich künstliche Werte. Und so jagt man diesem abstrakten, uns beinahe schon magisch bestimmenden Wert nach, um die unersättlichen Wünsche und das Gefühl der Sehnsucht nach Sinn zu stillen, welche sich aber stets selbst verzehren, sozusagen im niemals fassbaren oder greifbaren Illusionären verpuffen und so im Vergessen gleichsam wieder verschwinden. Der Kreislauf beginnt so von vorne und perpetuiert sich. Gleichzeitig werden in diesem Prozess Fetische kreiert, die in eine Sphäre der Zeitlosigkeit getaucht sind – an eine Erinnerung einer nur mit ihnen verbundenen Geschichte, welche die Dinge einzigartig macht. Sie sind in diesem Sinne der Möglichkeit einer Ersetzung durch einen abstrakten Geldwert entzogen, in den sie sich niemals auflösen lassen, und mahnen so an eine Zeit, die der Schnelllebigkeit, dem sich ins Endlose fortsetzenden Verschleiss und Verbrauch der Dinge und den ständig wechselnden Vorzeichen des Wertsystems noch vorausliegt und diese so überdauern kann.

 

Literatur zum Thema:

Hartmut Böhme. Fetischismus und Kultur. Rowohlts Taschenbuch Verlag. 2006.

 

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