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Fetischdienste – Marx & Freud im Diskurs

Reflexionen zum Geld-System – Teil I



Waren und ihr konkreter Gegenwert – das Geld – und die mit Ihnen verbundenen Handlungen sind nach Karl Marx stets mit fetischistisch geprägten Vollzügen verflochten und verknüpft, in denen sich unbewusst etwas letztlich Irrationales artikuliert, worin sich wiederum Freud folgen lässt. Es gilt nun – den beiden Diskursen über mehrere ineinander verschachtelte Ebenen folgend – die eigentlichen Mechanismen unseres Geldsystems aufzuzeigen.


Christoph Schmassmann


Die uns umgebenden Dingwelten werden nach Marx in einem speziellen, uns unsichtbaren Prozess mit Werten aufgeladen, die sich unversehens gegen uns selber zu richten beginnen. Vom Standpunkt der Aufklärung bezeichnet der Fetisch letztlich ein Ding, an das Individuen oder Kollektive Bedeutungen und Kräfte knüpfen, die diesem nicht als in diesem Sinne ganz basale, materielle Eigenschaften zukommen – etwa der einfache Gebrauchs-Wert eines Scheins oder einer Münze. Sie werden ihm in einem projektiven Akt beigelegt, vergesellschaftlicht und bleiben schliesslich unsichtbar mit dem Objekt verknüpft. Doch was vom  aufgeklärten, modernen Menschen eigentlich als Selbsttäuschung abgetan werden sollte, vollzieht sich tagtäglich in unser aller Beziehung zu den uns umgebenden Dingen.

 

Marx’ Gespenster

Fetischismus ist in diesem Sinne eine ganz konkrete „korrupte Objektbeziehung“, die in ihrem Ausmass allerdings höchst abstrakte Formen annimmt. Dies geht daraus hervor, dass das Fetisch-Ding als ein bedeutendes und kraftgeladenes Objekt auf der Bühne des Unbewussten zu einem Akteur wird, das quasi in einen Subjekt-Status tritt. Gleichzeitig setzt sich der von ihm bezauberte Fetisch-Diener zu ihm in ein Objektverhältnis, das durch den Fetisch bestimmt bleibt. Dies mündet schliesslich darin, dass Dinge in diesem Vollzug auf einer abstrakten Ebene nach und nach beweglich werden, während der Fetischdiener von ihnen ganz konkret abhängig ist. Wichtig und ganz zentral ist hierbei die Doppelbewegung die der Fetisch vollzieht: Er absorbiert Bedeutungen und Kräfte, lädt sich mit diesen auf und strahlt sie gleichzeitig aus.

 

Der Fetischcharakter der Ware

Wie geht das nun also genau vonstatten? Wie verhält sich die Feststellung der hier aufgezeigten Doppelbewegung nun zum Typ einer modernen Ökonomie, und beginnt diese als einer ihrer wesentlichen Mechanismen von innen heraus zu bestimmen? Wie entsteht die magische Energie, die den Dingen innewohnt, die die Zirkulation der Ware in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft auf eine in ihrer Form nach künstlichen Weise in Bewegung hält und sich nach und nach zu verselbstständigen beginnt? Das in einem Doppelsinn von „zauberhaft“ und „künstlich hergestellt“ enthaltene Schwanken im Bedeutungsspektrum des Wortes “Fetisch” macht sich Marx zunutze: Die Dinge erhalten dadurch ihre magische Kraft, indem sie den künstlich mit ihnen verbundenen Wert verschleiern. In diesem Prozess vergessen wir, was wir eigentlich konkret für ein Ding in seiner Einzigartigkeit vor uns haben – stets denken wir unbewusst seinen Geldwert mit, und machen es so gesehen austauschbar. In diesem Prozess beginnt umgekehrt die Ware ihren abstrakten Gegenwert zu inkorporieren, sich damit aufzuladen und im Gegenzug als eine ihr eigene Macht auszustrahlen.

 

Tausch und Zirkulation

Dies hat schliesslich den Effekt, dass sich die Verhältnisse im Zuge der Zirkulation und in der Bewegung des Tausches umdrehen. Der Kapitalismus verkehrt das, worin der Mensch sich entäussert und verwirklicht – sein konkretes Schaffen und Erschaffen im Prozess der Arbeit, die er tauscht gegen konkrete, materielle Werte –  in sein Gegenteil, so dass die vom Menschen selbst hervorgebrachten Dinge nicht als seine Verwirklichung erscheinen, sondern sich verselbstständigen als Macht gegen ihn. So beginnen sie ihn nach und nach zu beherrschen, anstatt dass er die Dinge, die er ja selbst hervorbringt, bestimmt. So  zeigen denn die Dinge den Schein der Selbstständigkeit.  Marx erhebt damit den Fetisch zu einem unserem System zugrundeliegenden Mechanismus. Die Macht der Waren und der ihnen beigelegten und letztlich abstrakten (Geld-)Werte erscheint mit einem Male als universelle Macht im Spiel des Kapitals. Die Idee ist letztlich, dass sich der direkte und unmittelbare Zugang zu seinen Lebensmitteln restlos vom Konsumenten ablöst, ihm ganz und gar unzugänglich wird und sich ihm schliesslich völlig entzieht – wobei der Fetischdiener nebenbei in proto-ökonomischen Gesellschaften und den sich vollziehenden Übergangsformen noch durch den Fetisch seine Macht gerade magisch erweiterte und sie ihm nicht, wie bei Marx, entzogen wird.

 


Geldfetischismus

Doch kennt auch Marx solchen Fetischdienst. Er stellt ihn im Geld dar, das bei ihm ein universeller Fetisch ist. Geld ist das allgemeine Medium des gesellschaftlichen Verkehrs und des Tausches. Es ist gleichsam ein Meta-Fetisch, der Dinge in Waren und Waren in Fetische, also abstrakte Geldwerte, verwandelt. Für den Geldbesitzer wird dieses schliesslich zu einer seiner Form nach göttlichen Kraft, es erweitert seinen Radius potenziell ins Unendliche, indem es seine endlichen Möglichkeiten auf eine zauberhafte Weise multipliziert. Ebendeswegen verehren wir das Geld wie einen Fetisch. Durch die dadurch entstehende universale Vermittlungs- und Verwandlungsfähigkeit wird unversehens das Imaginäre und Virtuelle wirklich und quasi erreichbar, während das Wirkliche sich zu einer letztlich unerreichbaren Fiktion der Wünsche und Sehnsüchte verkehrt. Diese verkehrende Macht des Geldes, in dessen Vollzug wir nebenbei unversehens selbst zu Waren werden, ist denn auch der wesentliche  Mechanismus des Warenfetischismus.

 

Austauschbarkeit und Indifferenzen

Wie vollzieht sich nun diese Verwandlung? Marx führt in diesem Sinne seine Geldtheorie – und das ist aus der hier verfolgten Sicht seine eigentliche Leistung – schon sehr nah an moderne Zeichentheorien heran, insbesondere an Figuren der Normierung und der Autopoiesis: das heisst konkret eine Bewegung, die auf das verweist, was sich verselbstständigt und sich stets neu aus sich selbst schöpft und hervorbringt – und sich in diesem Sinne zusehends der Macht und Einsicht seines eigenen Schöpfers zu entziehen beginnt. Dieser bloss noch zeichentheoretisch fassbare Abstraktionsprozess, der sich im Geld vollzieht, macht diese Form des Fetischismus erst zum Geheimnis. Geld ist für Marx allgemeines Medium der Zirkulation, wodurch alles mit allem in Form von Zeichenwerten kommuniziert – das heisst ganz konkret relationiert, bemessen und dementsprechend ausgetauscht werden kann. Und schliesslich werden über die investierte Arbeit bei der Herstellung der Waren auch deren Produzenten in den Prozess des Tausches hineingezogen. Ihre Arbeit und die in sie investierte Zeit ist mit einem Mal konkret verrechenbar. Dinge sowie die mit ihnen umgehenden Personen beginnen schliesslich im Geldmedium nurmehr als Warenwerte zu zirkulieren, die von jenem ihre Wertmarke, ihren konkreten Preis, angeheftet bekommen.

 

Geldzeichen und Zeichenprozesse

Das Geld wird in diesem Vollzug also zu einem abstrakten Zeichen, das einen Wert darstellt und zugleich die an der Wertgenesis beteiligten Vorgänge unsichtbar macht. Und so bildet sich nach und nach eine eigene Welt der Zirkulation aus, die von der materiellen Welt der Menschen und Dinge weitgehend entkoppelt ist, vielmehr diese nur noch als abstrakte Warenwerte gegeneinander vermisst und austauscht. Die zunehmend abstrakter werdenden Transformationen bestimmt Marx denn auch mit dem Ausdruck Metamorphose, der die Verwandlung der Menschen und Dinge zu Waren, der Waren in andere Waren, der Waren in Geld und des Geldes in blosse Wert- oder Zeichen-Operationen anzeigt.  Als Warenwert macht alles und jeder eine gleichsam spukhafte Reise durch eine andere Welt hindurch mit – in die medialen Operationen, wie sie das Geld vollzieht. Diese raumlose Reise durch Verwandlungen und mediale Vermittlungen hindurch ist der Prozess, aus dem letztlich der Fetischismus im Sinne von Marx hervorgeht. Doch sieht man dies der Warenwelt nicht mehr an: der Prozess wird unsichtbar, verselbstständigt sich und vollzieht in ihrer Form eigenständige, beinahe schon unwirkliche, da virtuelle Bewegungen und Operationen, die sich uns ganz und gar entziehen und keine Spur an ihre letztlich zufällige und an sich beliebige Wertzuschreibung zurücklassen.

 

Literatur zum Thema:

Hartmut Böhme. Fetischismus und Kultur. Rowohlts Taschenbuch Verlag. 2006.

 

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